Die Fünf Key Player bei Transformationsprozessen
Welche Hauptakteure für den Erfolg von Veränderungs-Prozessen essentiell wichtig sind und warum!
Wenn wir auf Transformationsprozesse in Organisationen schauen, besteht eine wesentliche Kunst der Key Player darin, die Komplexität angemessen zu reduzieren und gleichzeitig nicht in unproduktive Vereinfachungen zu geraten. Und das nun folgende systemische Modell soll genau das in der Praxis erleichtern: Durch die folgenden fünf Perspektiven wird unsere Aufmerksamkeit auf zentrale Dynamiken gerichtet, die fast immer in Veränderungsprozessen relevant sind. Insofern schafft dieses Modell einen Rahmen, der Überblick und Orientierung für und über die Hauptakteure geben soll.
1. Perspektive: System- und Personenqualifizierung
Mit der ersten Perspektive, »System- und Personenqualifizierung«, lenken wir unseren Blick auf das Zusammenspiel von Organisations-und Strategieentwicklung und der Human Ressources Abteilung also der Personalentwicklung.
Veränderungsprozesse beginnen ja in der Regel entweder mit dem Blick auf Strukturen, die an neue Herausforderungen angepasst werden müssen oder mit Strukturen, die nach einer Phase organischen Wachstums wieder geordnet werden sollen. In dieser Phase stehen neue Zuschnitte von Abteilungen und Hierarchien sowie Schnittstellen- und Ablaufklärungen an.
Mit unserem systemischen Blick wollen wir unsere Kunden dazu einladen, von Beginn an die Aufmerksamkeit nicht nur auf der Strukturebene zu haben, sondern den Blick auch auf die Implikationen auf Ebene der »Human Resources« zu richten. Denn unter dieser Perspektive geht es nicht nur um die Frage, welche neuen Strukturen erforderlich sind, sondern auch, welche Veränderungen mit den vorhandenen Menschen überhaupt möglich oder sinnvoll sind.
Im Folgenden ein paar einfache Beispiele, um das greifbarer zu machen.
- Beispiel:
Manchmal werden Strukturen geschaffen, die dem Selbstverständnis oder den Kompetenzen der vorhandenen MitarbeiterInnen widersprechen. Dann werden die neuen Strukturen, die eigentlich funktional sind, durch die MitarbeiterInnen nicht akzeptiert und unterlaufen. Jetzt ist die Leistungsfähigkeit der Organisation geringer als zuvor.
- Beispiel:
Nehmen wir an die neuen Strukturen sind von der MItarbeiterschaft verstanden und werden mitgetragen. Dann kann es Qualifizierungswünsche von MitarbeiterInnen geben, die aus der individuellen Sicht der Person ganz plausibel nachvollziehbar sind. Aber eigentlich gibt es für die Person nach der Qualifizierung im Unternehmen so keine Rolle. Oder es gibt zwar Rollen, sie sind aber bereits besetzt. Dann kann die neue Kompetenz garnicht eingesetzt werden und das Wissen verblast wieder. Oder der/die jetzt neu qualifizierte MitarbeiterIn kommt plötzlich mit Jemandem in Konflikt, weil dieser sich als einzig zuständig fühlt und den/die KollegIn als Eindringling empfindet. In solchen Fällen bewirkt die Qualifizierungsmaßnahme, die oft aus Gründen der Berücksichtigung von Mitarbeiterwünschen unterstützt wurde, auf allen Seiten Enttäuschung statt Zufriedenheit.
Es geht also viel mehr um personensensible Systemqualifizierung und systemintelligente Personenqualifizierung.
2.Perspektive: Orientieren und Qualifizieren
Die zweite Perspektive, »Orientieren und Qualifizieren«, zielt auf das Zusammenspiel der Führungskräfte und der Personalentwicklung bei Veränderungsprozessen.
Es genügt nicht, den Qualifizierungsbedarf aus den Veränderungen abzuleiten und MitarbeiterInnen entsprechende Trainings oder Schulungen zukommen zu lassen. Das ist zu kurz gedacht. Für den Erfolg jeder Transformation und somit auch der Schulungsmaßnahmen ist die Motivation der MitarbeiterInnen entscheidend. Und hier ist die Führungsmannschaft gefragt, dass ist ihre Aufgabe oder Verantwortung.
Jeder Berater kennt die Situation, dass er auf MitarbeiterInnen trifft, die Workshops zur Begleitung der Transformation eher absitzen als diese mitgestalten zu wollen. Sie sind von der Sinnhaftigkeit der Veränderungen im Unternehmen nicht überzeugt oder haben sogar einen Nachteil daraus. Der Berater kann nun von seinem Konzept abweichen und über die positiven Gründe für die Veränderung bzw. die Befürchtungen wegen der Veränderung diskutieren, meist hat er aber weder die Entscheidung zu verantworten, noch kennt er die maßgeblichen Internas, die zu den Veränderungen geführt haben.
Leider wird immer noch in der Mehrzahl der Fälle die wir beratend begleiten dürfen, bei dem Transformationsprozess die Perspektive der Orientierung durch die Führungsmannschaft zu wenig berücksichtigt. Oft konnten die MitarbeiterInnen bislang nicht davon überzeugt werden, welche Vorteile sie durch die Veränderung haben. Oder, falls sie eher mit Nachteilen zu rechnen haben, sind sie nicht ausreichend informiert worden, warum die Nachteile der Veränderung geringer sind als die Nachteile einer Nichtveränderung. Das Thema wird dann lieber totgeschwiegen, es wird versucht es schnell abzuhandeln oder dieser Teil wird übersprungen.
Aber dieses Vorgehen ist fatal. Den MitarbeiterInnen die zweifeln, werden aus Ihrer Sicht zu Recht, versuchen Widerstand zu leisten. Und die Orientierung sollte auf die Überzeugung der MitarbeiterInnen abzielen. Und diese Überzeugungsarbeit ist originäre Führungsaufgabe.
Umgekehrt ersetzt Orientierung aber natürlich Qualifizierung nicht. Orientierung kann Qualifizierung allerdings beflügeln und den Aufwand minimieren. Wird der Transformationsprozess von uns begleitet, besteht unsere Aufgabe daher darin, die Führungsmannschaft in Bezug auf Orientierung angemessen in das Veränderungsdesign einzubeziehen.
Und es gibt noch einen zweiten Aspekt unter dieser Perspektive. Der Erfolg von Veränderungen hängt auch davon ab, ob die Neuerung nur proklamiert oder auch detailliert beschrieben wurde. Wir sprechen hier, im Wiesloch Stil, mit Bezug auf die Theatermetapher von Inszenierungs- bzw. Drehbucharbeit. Also:
- Wann beginnt der Auftritt der einzelnen Schauspieler, und wann endet er?
- Wer ist außer ihnen noch auf der Bühne?
- Stimmen die Kostüme? Passen sie zusammen?
- Was machen die anderen Schauspieler, während der Protagonist spricht?
- Passen die Dialoge zusammen? Passen sie zu den jeweiligen Charakteren?
- Was hat der Protagonist zu tun, während die anderen sprechen?
- Ist das Bühnenbild abgestimmt mit der Handlung? Stimmt die Beleuchtung?
Zurück und übersetzt in die Welt der Organisation bedeutet das:
- Wissen die einzelnen MitarbeiterInnen, was sie nach der Veränderung wann und mit wem anders zu machen haben?
- Sind die Schnittstellen und komplementären Verantwortungen beschrieben?
Gibt es an dieser Stelle Orientierung, kann sehr gezielt qualifiziert werden. Und viele MitarbeiterInnen können vor dem Hintergrund der vorhandenen Berufserfahrung die neue Rolle auch ohne viel Zutun erfüllen.
In der Theatermetapher gesprochen: Arbeit am Drehbuch erspart oft Schauspielunterricht.
3.Perspektive: Beraten und Führen
Kommen wir nun zur dritten Perspektive, »Beraten und Führen«. Diese bezieht sich auf das Zusammenspiel von externen BeraterInnen und der Führung bzw. dem Management. Häufig werden externe BeraterInnen in Veränderungsprozesse einbezogen, weil die Führung die Notwendigkeit eines Wandels erkannt hat, selbst aber nicht die Ressourcen zur Verfügung hat, den Prozess zu steuern. Hier besteht immer die Gefahr, dass wir als externe BeraterInnen für Transformationsprozesse Verantwortung übernehmen auch an Stellen, die Führungskräfte aufgrund mangelnder Autorisierung nicht ausfüllen können.
BeraterInnen können und wollen aber keine Anweisungen geben, unsere Unterstützung besteht in Angeboten, Anregungen und Umsetzungsmöglichkeiten. Aber selten gibt es größere Änderungen ohne Dissens. Und an dem Punkt, an dem Transformation gefordert wird, die nicht leicht auf Zustimmung stößt, muss die Führung bzw. das Management auf die Bühne.
Auch wenn diese Aufgaben eine zeitliche Zusatzbelastung darstellen, würdigt es zugleich die Funktion der Führungskräfte bzw. des Managements als Verantwortungsträger. Diese Klärungen in der Perspektive »Führen und Beraten» hat in Veränderungsprozessen also immer Bedeutung.
Und plant die Managementebene einer Organisation einen Transformationsprozess, muss ihr klar sein, das sie sich sofort selbst in dieser Dynamik bewegt. Das Management hat dann gleichsam beide Hüte auf, den Beratungshut und den Entscheidungshut.
Denn keine Veränderung kommt zustande ohne Diskussion und Überzeugungsarbeit. Und ebenso kann sie nicht auf klare Ansagen verzichten.
Daher sind hier folgende Fragen wichtig:
- Wie wirbt die Führung für die Überzeugungen der Mitarbeiterschaft?
- Wie lange wirbt Sie?
- Wann blockiert sie die Veränderung durch zu viel Diskussion? Wann durch zu wenig?
- In welchen Führungsrahmen wird diskutiert?
Und vorsicht, besonders viel Frustration entsteht in Organisationen, in denen zunächst zu offener Diskussion eingeladen wird, die Entscheidung aber bereits feststeht oder dann doch unabhängig von der Diskussion getroffen wird. Deshalb sind klare Aussagen darüber, welche Leitlinien Führung definiert, über die nicht diskutiert werden kann und was von der Mitarbeiterschaft gestaltbar ist, von höchster Bedeutung.
Und hier sind folgende Fragen hilfreich:
- Wie viel Raum gibt die Führung für Überzeugungsarbeit, auch wenn die Veränderung selbst nicht diskutabel ist?
- Oder ist ein schnelles Umsetzen für den Erfolg das bessere Konzept?
4. Perspektive: Marktorientierung/ Programmorientierung
Die vierte Perspektive, » Marktorientierung und Programmorientierung«, bezieht sich auf die Rolle der Personalentwicklung und der internen Beratung bei Transformationsprozessen. Das betrifft bei Transformationen im Kontext von Nachhaltigkeit z.B. die Nachhaltigkeitsmanager, die extra dafür eingestellt oder aus den eigenen Reihen dafür Qualifiziert werden.
Erstens muss man sich hier oft daran erinnern, dass beide (Abteilungen) auftragsorientiert arbeiten. Welche Anliegen in Bezug auf Human Resources auch immer auftauchen, entweder ist die Personalentwicklung zuständig oder die BeraterInnen in Nachhlatigkeitsthemen. In der Praxis erleben wir aber oft, das die NachhaltigkeitsmanagerInnen als interne DienstleisterInnen in der Zusammenarbeit etwas profillos werden und ein vorwiegend reaktives Selbstverständnis entwickeln.
Zweitens fordert Marktorientierung immer auch Transformation. Hier müssen z.B. die NachhaltigkeitsmanagerInnen dann, die humanistische Perspektive in einem Unternehmen, in dem es sonst kalt und nach Marktgesetzen zugeht, versuchen in den Vordergrund zu bringen. Die Gefahr ist hier sehr groß, dadurch in der eigenen Rolle bis zur politischen Bedeutungslosigkeit im Unternehmen zu schrumpfen.
Die Perspektive der Programmorientierung verweist daher auf folgende Möglichkeit: Nämlich die Entwicklung eines Konzeptes, wofür Personalwicklung und interne Beratung gleichermaßen stehen können. Unter dieser Perspektive wäre es- angelehnt an die Unternehmensziele – eher effektiv und zielführend ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten und ein entsprechendes Dienstleistungsportfolio anzubieten. Der Vorteil für beide Parteien besteht dann ganz klar darin, das sie an Transformations-Prozessen aktiv und orientierungsgebend mitwirken können. Der Nachteil besteht aber auch darin, jetzt sichtbar zu werden und sich nicht länger hinter Aufträgen verstecken zu können.
Es liegt also in der Natur der Sache, dass sich bei jedem Veränderungsprozess die Akteure entscheiden müssen, ob sie Marktveränderungen reflexhaft bedienen wollen oder sich gleich an einer neuen Kerngeschäftsidee orientieren. Hier können das spezifische Profil und das Know-how eines Unternehmens sinnvoll adaptiert und/oder erweitert werden anstatt z.B. nur gemäß aktuell Vorgaben, einen Nachhaltigkeitsbericht für die Schublade zu verfassen.
5. Perspektive: Bewährtes und strategische oder nachhaltige Neuerungen
Daher beschreibt die abschließend fünfte Perspektive, »Bewährtes und strategische/nachhaltige Neuerungen«, die Herausforderung für alle Key Player in Transformationsprozessen, eine angemessene Balance zwischen respektvollem Erhalt von Bewährtem und notwendiger Impulsgebung durch Innovation oder Vorgaben zu finden.
Transformationsprozesse verführen gern dazu, eine Inflation an neuen Projektgruppen, Arbeitsgemeinschaften und Kick-offs zu generieren. Gemäß dem Motto: „Wenn du mal nicht weiter weißt, bilde einen Arbeistkreis“. Wenn das aber zum operativen Alltag hinzukommt, entsteht leicht eine Müdigkeit gegenüber den zusätzlichen Aufgaben.
Daher erzeugen klug ausgewählte beispielhafte Maßnahmen/Piloten oft eher einen Lerneffekt als flächendeckende Maßnahmen. Und gute Pilotprojekte binden auch nicht so viele Ressourcen und verlangen auch nicht den Einbezug aller, beispielsweise auch der Zögerer und Zweifler. Gute Pilotprojekte geben auch Gelegenheit, experimentell zu lernen, und können dann Kristallisationspunkte für weitere kulturverändernde Wirkung bilden.
Daher geben Pilotprojekte auch oft mehr Impulse als große Verkündungen. Systemtheoretisch gesprochen, werden durch gezielte Musteränderungen oft weitere Veränderungen in Gang gesetzt, wenn sie überzeugen und eine kritische Masse erreichen.
Auf der anderen Seite ist aber auch zu fragen, welche eingeführten Strukturen und Abläufe auch im Sinne der Innovation/Nachhaltigkeit weiterhin genutzt werden können. Oft geht es nur darum, bestehende Strukturen mit neuen Perspektiven anzureichern. Innovationsbestrebungen entstehen ja häufig in einer Krise wie z.B. der Klimakrise. In dieser Situation entsteht leicht eine Dynamik, das bisherige abzuwerten. Aber die Veränderungsbereitschaft von Menschen ist meist viel höher, wenn das Gute ihres bisherigen Tuns gewürdigt wird.
InnInschaftFazit:
In Zusammenfassung der fünf zentralen Perspektiven auf Key Player bei Transformationsprozessen ergibt sich also Folgendes:
- Die System- und Personenqualifizierung stellt sicher, dass Veränderungen nicht nur auf struktureller Ebene betrachtet werden, sondern auch die Auswirkungen auf die MitarbeiterInnen berücksichtigt. Eine sorgfältige Abstimmung von Organisations- und Personalentwicklung ist entscheidend, um Enttäuschungen und Konflikte zu vermeiden.
- Die Perspektive „Orientieren und Qualifizieren“ betont die Bedeutung der Führung bei der Motivation der Mitarbeiter während des Veränderungsprozesses. Führungskräfte müssen die Bedenken und Befürchtungen der Mitarbeiterschaft ernst nehmen und sie von der Sinnhaftigkeit der Veränderungen überzeugen, um Widerstand zu minimieren.
- „Beraten und Führen“ zeigt, dass externe BeraterInnen zwar wichtige Impulse und Lösungsansätze liefern können, aber die eigentliche Verantwortung für die Umsetzung und Überzeugungsarbeit bei der Führung liegt. Klare Kommunikation und eine ausgewogene Diskussion sind entscheidend, um MitarbeiterInnen zu überzeugen und den Prozess erfolgreich zu gestalten.
- Die Perspektive „Marktorientierung/Programmorientierung“ betont die Rolle der Personalentwicklung und der internen Beratung bei der Unterstützung von Veränderungsprozessen. Es ist wichtig, dass diese Abteilungen nicht nur reaktiv arbeiten, sondern aktiv an der Gestaltung des Veränderungsprozesses beteiligt sind und ein gemeinsames Konzept entwickeln.
Sie haben auch gerade eine Transformation vor sich und suchen noch eine Unterstützung? Dann stehen wir gern, für einen unverbindlichen Austausch zu ihrem Anliegen, zur Verfügung.
Quellen: Bernd Schmid/Andreas Kannicht: Einführung in systemische Konzepte der Selbststeuerung (2015).; Schmid u. Messmer 2003c
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